Dufay Ensemble Nürnberg – Presseberichte

Erlanger Nachrichten, 22.06.2016Bergische Blätter 22, 2014Nürnberger Nachrichten, 08.04.2014Nürnberger Nachrichten, 30.04.2013 und 11.05.2013Fränkischer Tag, 22.05.2007La Voce 2 - 2006Fränkischer Tag, 24.03.2004Schwäbische Zeitung, 02.06.2003Südkurier, 03.06.2003Mainpost Würzburg, 09.10.2001Fränkische Landeszeitung, 08.10.2001Nürnberger Nachrichten, 06.03.2001Nürnberger Zeitung, 06.03.2001Fränkischer Tag, 05.03.2001Nürnberger Zeitung, 16.10.2000Nürnberger Nachrichten, 12.10.2000Nürnberger Zeitung, 18.07.2000Fränkischer Tag, 02.12.1999Nordbayerische Nachrichten, 02.12.1999Nürnberger Anzeiger, 20.10.1999Nürnberger Zeitung, 20.09.1999Mainpost Würzburg, 01.10.1996

Seit 20 Jahren setzen die Sänger des Dufay Ensemble Nürnberg Musik des 14. bis 16. Jahrhunderts in den Dialog mit Neuer Musik, verdeutlichen dabei deren Wurzeln, kontrastierende Kompositionsansätze und auch aus der Renaissance übernommene Strukturen. Bei ihrem Jubiläumskonzert vereinten sie Werke von Desprez, Sweelinck und Schütz mit Vokalkompositionen des Erlanger Komponisten Werner Heider.

Dieses allein schon hochinteressante Konzept reicherte Tilo Heider mit zwei fesselnden Schlagzeug-Performances nochmals an … eine schier grenzenlose Kreativität und Sensibilität kam hier zum Ausdruck …

… exakte Intonation, ausgezeichnete Artikulation und Disziplin sind die technischen Mittel der Spezialisten des Dufay Ensemble, permanentes auf einander Hören und tiefe Kenntnis der historischen Gegebenheiten … weiche Körperlichkeit verströmen die Männerstimmen, durchsichtig und leicht schweben darüber Alt und Sopran …

… fesselnd ist die Musik der neuen CD-Einspielung mit Werken des Wuppertaler Komponisten Thomas Beimel … dass man die Stücke noch einmal und dann noch einmal hören möchte, um in der Wiederholung dem Eindruck schwebender Klänge, weiter, offener Räume jenseits aller Materie auf die Spur zu kommen. A-cappella-Gesang, so genau intoniert und in so ruhigem Aufbau gesungen wie vom Nürnberger Dufay Ensemble, bereitet einfach Genuss …

… als eines der wichtigsten Werke der Musik der 1970er Jahre stand «Rothko-Chapel» im Mittelpunkt dieses Nürnberger All-Feldman-Programms … die Lobby des Neuen Museums war total überfüllt … offenbar das führende Format für Neue Musik in Nürnberg … zu Feldmans Raumklängen von Viola, Celesta oder Schlagzeug breitet das mit schwierigsten Choraufgaben vertraute Dufay-Ensemble Klangflächen präzise aus, immer die Stimmgabel zur Hand und am Ohr … eine hervorragend gewählte Hin- und Einführung waren zuvor drei typische, aber atypisch kurze Feldman-Stücke aus den sechziger Jahren mit ihren vokalen Wellenlinien oder einer subtilen Behandlung der Percussions-Batterie mit bloßer Hand …

Das Nürnberger Dufay Ensemble findet sein spannungsvolles Repertoire zwischen Alter und Neuer Musik: Welten liegen zwischen den majestätisch hereinrollenden, archaischen Polyrhythmen des griechischen Komponisten Iannis Xenakis und dem gelassen schwebenden, fein ausbalancierten Vokalensembleklang, der Henry Purcells «Te Deum Laudamus» zum Ereignis werden lässt … Die jeweils punktgenau einsetzende Steigerungsdynamik ist es, die hier die ersten Brückenpfeiler zwischen den Epochen setzt. So wirkte Leonhard Lechners von kriegerischem Pathos erhitzte Motette «In me transierunt» in Nachbarschaft zu Werner Heiders «Sechs Gesängen für den Frieden» in ihrer Aufgewühltheit erstaunlich modern. Und der stetig hinterfragende 83-jährige aus Erlangen befragte mit seiner nuancenreichen Zitatensammlung vielerlei Stimmen und Zeitalter: Ein gesungenes und rezitierendes, hochkarätig besetztes philosophisches Quartett! … Insgesamt hinterließ das Dufay Ensemble mit seinen überaus klangschönen und fein aufeinander abgestimmten Stimmen einen hervorragenden Eindruck. Der langjährige Leiter Wolfgang Fulda sorgt dabei für die nötige Detailfreudigkeit, Präzision – und für spürbare Energie.


… der lupenrein intonierte Psalm 150 von Jan Pieterszon Sweelinck … in punkto klarer Diktion, souveräner Gestaltung, diffiziler Melismatik, sowie Uraufführungskompetenz legt das Dufay Ensemble Nürnberg die Messlatte hoch …

Neue Musik lebt, auch wenn ihr im Rundfunk immer weniger Platz zugestanden wird. Ohnehin lässt sich der Zauber des Zeitgenössischen am besten im Konzert erfahren. So wie in der erfreulich gut besuchten Gangolfskirche, wo die 11. Bamberger Tage der Neuen Musik Chor- und Instrumentalmusik in den Mittelpunkt rückten … Bestens vorbereitet waren die Sänger des Nürnberger Dufay-Ensembles unter Wolfgang Fulda. Spätestens Henryk Góreckis ergreifende Psalmenvertonung für zwölfstimmigen gemischten Chor machte das Motto des Festivals deutlich: Musica Sacra Nova. In zwei deutschen Erstaufführungen, die das Dufay-Ensemble zusammen mit dem KlangKonzepteEnsemble der Neuen Pegnitzschäfer realisierte, war das mystische Element ebenfalls spürbar. Milosz Bembinows «Lux aeterna» klang mit langen irisierenden Haltetönen im Sopran aus. In Alexandr Radvilovichs textloser «Sinfonia sacra» durfte der Chor summen, zischen, pfeifen, den Atemhörbar machen … dass sich die Glocken einmischten, passte gut.

… Die beiden Gäste aus Glasgow, John Maxwell Geddes und Janet Beat, arbeiteten mit dem Dufay Ensemble Nürnberg zusammen, dessen Leistung tief beeindruckte. "An die Grenzen des Machbaren", so ein Chormitglied, führte die Sänger Geddes' «In tempore belli» in der Nürnberger Martinskirche. Kontrastierend dazu Beats «Apsara Music» für Frauenstimmen - eine sinnliche Darstellung von Kurtisanen aus der hinduistischen Mythologie … ein perfekt programmiertes Konzert auf höchstem Niveau …

… neben Bembinow, Ernst Krenek und Goffredo Petrassi trat die wundersame italienische Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts … als exemplarisch, als mustergültig muss die Aufführung der fünfstimmigen Motetten Palestrinas durch das Dufay-Ensemble bezeichnet werden. Die neun Frauen und acht Männer unter Wolfgang Fuldas Leitung überzeugten durch Klangkultur, saubere Intonation, nahmen mit lebendigem Chorgesang für sich ein … ein Chor solchen Kalibers darf sich ganz beruhigt auch auf zeitgenössisches Terrain wagen, das ja stimmtechnisch, harmonisch und rhythmisch oft höchste Anforderungen stellt. Kreneks Klagelieder des Propheten Jeremias von 1941 brachte das Dufay-Ensemble in einer packenden Interpretation … die Frauen allein durften zudem im abschließenden Werk glänzen, Milosz Bembinows in Bamberg entstandener Vertonung der Antiphon «In morte sumus» …

… ein besonderes Highlight für Freunde der Musik des 20. Jahrhunderts waren die gemeinsamen Klangexperimente des Dufay-Ensembles Nürnberg und des Ensembles «das Museum» in der Pfarrkirche Gattnau … wie von weit her klingen in Antoine Brumels Magnificat die Stimmen der drei Sängerinnen Manuela Klöckner-Marseglia, Katharina Bock und Astrid Kessler, ein unwirklicher, strömender Gesang, harmonisch, meditativ, kraftvoll … Alan Fabians «Objet rotatoire» greift die Klangwelt des Klaviers, von Klöckner-Marseglia gespielt, auf. Die algorithmische Komposition lässt die Klaviertöne sich in den Lautsprechern fortsetzen, in hüpfende, klirrende, klingelnde Scherben zerfallen, ein Zischen, Zirpen und Nagen … in Wolfgang Fuldas «Vier Vokalisen» erklingt Manuela Klöckner-Marseglias Stimme wunderbar tragend von der Empore … Stimmungen, von feinen Klangnetzen umsponnen … es zirpt und zupft aus dem Kirchenraum um die Stimme, die sich zuweilen vervielfacht, sich voraneilt oder nachhallt … bei der Simultanaufführung von John Cages «One» für Klavier und Wolfgang Fuldas «Cybernetics II» mischen sich Cage-Sätze, verachtfacht im Raum, suggestiv in die Klaviertöne … zuletzt das ungemein dynamische «Gebet» von Sidney Corbett, expressiv gesungen von Kathrin Bock.

… Katharina Bock, Astrid Kessler und Manuela Klöckner-Marseglia zelebrierten mit erfreulich natürlicher Stimmfarbe Brumels Magnificat … aus Lautsprechern Wassergurgeln und verfremdete Pianoklänge in Alan Fabians «Objet rotatoire» zum exakten, trockenen Klavierspiel Klöckner-Marseglias … atmosphärische Renaissance-Anklänge in Wolfgang Fuldas «Vier Vokalisen für Stimme und 8-Kanal-Elektronik» in vier Kirchentonarten, mit denen Klöckner-Marseglia begeisterte … Katharina Bock gelang die Wanderung durch mehr als drei Oktaven in Sidney Corbetts «Gebet» wahrhaft bezaubernd …

An diesem ungewöhnlichen Konzertabend in der Stadtpfarrkirche Aub hätten auch die Engel, zumindest die von Wim Wenders, ihre helle Freude gehabt: Waren doch sie das Thema der neuen, großen Komposition von Peter Fulda, dem Würzburger Jazzpianisten, Komponisten und Arrangeur, der wieder einmal Grenzen und Konventionen beiseite ließ, um ein komplexes, inspiriertes, und umfangreiches Werk für eine ungewöhnliche Besetzung zu schreiben. Er kombiniert hier ein klassisches Vokalensemble mit zwei elektrischen Gitarren, Perkussion und Fender-Rhodes. Eine Mischung, die zuerst irritieren mag, sich aber schnell als originell, effektvoll und innovativ herausstellt, zumal alle beteiligten Musiker mit großem Engagement und auf hohem Niveau miteinander agieren.

Das siebenteilige Werk «Engel», dem Texte von Michel Serres, Thomas von Aquin und der Bibel zu Grunde liegen, ist eine suggestive, mitunter ekstatische Klangreise, in der auf erstaunliche Weise der Chor mit den elektronischen Instrumenten verschmilzt, in dem Improvisation neben Notiertem und Jazzelemente neben mittelalterlich anmutenden Vokalpassagen Platz haben. Da werden die Texte gesprochen, geflüstert, geschnattert und genuschelt, gesungen und geschrien, und das dank dem Dufay Ensemble Nürnberg unter Wolfgang Fulda, der auch souverän die Gesamtleitung inne hat. Mal begleiten und untermalen die E-Gitarren (kammermusikalisch das Shraeng-Duo) diskret die Klänge, mal treten sie solistisch mit einer Improvisation hervor. Ebenso das Schlagzeug, das mit Gongschlägen, Trommelwirbeln, Drumsoli und ostinaten, rhythmischen Figuren Akzente setzt.

Es entstehen sinnliche, rauschhafte Klangflächen und chaotische, bisweilen brachiale überlagerungen, ein hochinteressantes und erfrischend neues Klanggemisch, das seine verschiedenen, eindringlichen Wirkungen nicht verfehlt. Man meint am Schluss die biblischen Serafim zu spüren, schwebend über den luftigen, sanften, nur um sechs Töne kreisenden, vielstimmigen Strukturen, die schön und entrückt das Werk beenden. Das von Ars Musica Aub organisierte, und vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnittene Werk wird sicher dazu beitragen, die angeblichen Gegensätze der musikalischen Lager aufzulösen. Es zeigt in jedem Fall, dass es lediglich vom Können und vom Geschick des Komponisten abhängt, die unterschiedlichsten musikalischen Welten zu kombinieren.

Wie kann ich das Raunen der Ewigkeit, die Gesänge der Sphären vertonen? Fragen, die sich der Komponist und Pianist Peter Fulda in aller Deutlichkeit gestellt haben muss, ehe er daran ging, seine Musica-Nova-Kantate «Engel» zu schreiben. Das ambitionierte Werk hatte in der Windsbacher Stadtkirche Premiere.

Dass Peter Fulda sich für die Uraufführung der Neue-Musik-Experten des Nürnberger Dufay-Ensembles unter Wolfgang Fulda bedient, macht Sinn: An den gehauchten Parlandi, Summkantilenen und Stimmperkussions-Passagen der komplexen Partitur würde wohl so mancher "normale" Chor kläglich scheitern.

Nicht so Wolfgang Fuldas von dem Gitarrenduo «Shraeng» (Frank Wingold und Ralph Beerkircher) sowie dem Jazz-Perkussionisten Andreas Gandela kongenial ergänzter Elite-Klangkörper. In blitzsauberer Perfektion wird auch das unübersichtlichste Klanggetümmel realisiert, die umfangreichsten und anstrengendsten Abschnitte der siebenteiligen Komposition gemeistert.

Um dem Phänomen «Engel» auf die Spur zu kommen, stützt sich Peter Fulda auf Thomas von Aquins Schrift «Vom Wesen der Engel», auf das in neuerer Zeit entstandene Philosophen-Traktat «Die Legende der Engel» von Michel Serres sowie auf Bibeltexte. Das so gewonnene Informations- und Aphorismenkondensat wird von Fulda auf eine Metaebene überführt, denn er kredenzt das Material nicht isoliert, sondern lässt Satzfetzen kollidieren, sich überlagern, in kontrolliertem Chaos kreuz und quer laufen.

So entstehen analog zu den Klangflächen, welche durch die Interaktion der drei ungleichen Partner geschaffen werden, gleichsam heterogene Inhaltsebenen, die das "Wie-wenn-Sprechen" über Engel in eine scheinbare Lebens- und Meinungsäußerung der Lichtwesen selbst verwandeln. Man meint als Hörer, dem Raunen der Cherubim und Seraphim zu lauschen, an ihren Gesprächen teil zu haben, die einerseits gut verständlich, im selben Atemzug aber unendlich fremd, jenseitig, überirdisch wirken.

Dass Fulda mit einer eigentlich nur dreitönigen, symmetrischen Pentatonie arbeitet, wie das gelungene Programmheft verrät, erhellt zwar das konstruktive Konzept, ohne allerdings die besondere Wirkung dieses exzeptionellen Werkes restlos zu entzaubern. «Engel» darf getrost als der erfolgreiche Versuch betrachtet werden, eines der wichtigsten religiösen Mysterien in kraftvolle, beeindruckende Musik zu fassen. Fulda ist an sich ja Jazzer. Und hat in diesem Metier gelernt, wie man auch das Anspruchsvolle so formuliert, dass es verständlich wird. Beispielhaft und nachahmenswert.

… ein riskantes Unterfangen, Gesualdo in der Tafelhalle darzubieten. Nicht so für das Dufay Ensemble. An vier geistlichen Motetten des Italieners zeigt dieser feine Nürnberger Chor unter Wolfgang Fuldas Leitung seine Stärken: Konzentration, Balance, jugendlich-straffe Stimmbänder ohne Vibrato-Getöse; Zutaten, mit denen man auch fern sakraler Räume vokale überzeugungsarbeit im Namen Alter Musik leisten kann. Fulda weiß genau, dass überzeugen in dieser Sparte vor allem Nicht-übertreiben bedeutet. Gesualdos Flehen, seine Selbstzerfleischungen werden so als innerer Prozess hörbar.

… Ebenfalls ganz nach innen, auf das Interieur menschlicher Wahrnehmung nämlich, zielen Nicolaus A. Hubers «Disappearances» für Klavier. Ein faszinierendes Opus aus dem Jahre 1995, das in seiner Fixierung auf das Woher und Wohin einzelner Klänge gewisse Bezüge zum Werk Morton Feldmans aufweist. Sinnlich, geradezu lasziv kann solche Forschung klingen, wenn sie in die Hände eines Musica-Nova-Spezialisten gerät, wie Sebastian Berweck einer ist …

Wie lange der angeschlagene Ton eines Flügels doch nachhallen kann! Und wie klingt das gemeinsame Schwingen zweier Obertöne? Dass solche Klangexperimente, wie sie N.A.Huber in seinen «Disappearances» vorgezeichnet hat, hochspannend sein können, ist auch ein Erfolg des Pianisten Sebastian Berweck. Als Spezialist für das Zeitgenössische bringt er die Hingabe mit, die fast minimalistischen Klangexerzitien Hubers zu einer perfekten Versuchsanordnung aufzubauen.

… Erstaunlich der letzte Teil mit Karl Amadeus Hartmanns «Friede Anno 48» … In mitunter hochexpressiver Harmonik gelingt ein eindrückliches Panorama, das vor allem von der Gegenüberstellung zwischen den anspruchsvollen Partien von Kammerchor und der Sopranistin Talia von Bezold lebt …

… unerhörte, herzbeklemmende Wirkung dieses Konzerts … Mit den ersten Tönen der Responsorien Carlo Gesualdos schon präsentierte der vierzehnköpfige Chor Ausgewogenheit der Stimmen, unangestrengt klare Artikulation und fast solistisch virtuose Stimmführung. Die hohe Klangkultur des Dufay Ensembles zeigte sich gerade darin, dass die Grenze zum Unschönen bei scharfen Dissonanzen nicht vermieden, sondern förmlich ausgekostet wurde … Sebastian Berweck, den man bald wieder in Bamberg hören möchte, spannte in N.A.Hubers «Disappearances» meditative Ostinati, handgedämpfte Basstöne oder Mittellage-Flageolett-Effekte, rasante Tonrepetitionen unter einen großen Bogen, und übertrug seine Konzentration vollkommen auf das atemlose Publikum … Fulda steigerte sich bei K.A.Hartmanns Kantate «Friede Anno '48» mit dem gesamten Ensemble in eine - stets künstlerisch kontrollierte - Ekstase, die sogar den Boden mitschwingen ließ. Die extremen gesanglichen Anforderungen meisterte der Chor schier mühelos, dabei immer ausdrucksstark vom Furor bei "der Büchsen Donner kracht" bis zur innigen Bitte "Herr, es ist genug geschlagen" … Zusammen mit der zu schneidender Deklamation fähigen Sopranistin Talia von Bezold und dem perfekten Pianisten entstand vor dem geistigen Auge des Hörers ein erschreckender und unvergesslicher Kosmos menschlichen Elends …

… das Dufay Ensemble Nürnberg, das in diesem Jahr seinen 5. Geburtstag feiert, stellte sich in der Nürnberger Reformations-Gedächtnis-Kirche einer besonderen Herausforderung … Mit großer Ruhe und Ernsthaftigkeit interpretierten die Sängerinnen und Sänger die siebenstimmigen «Lagrime di San Pietro» von Orlando di Lasso … Dazwischen Lilo Kunkel u.a. mit einer eigenen diffizilen Passacaglia für Orgel … Fünfstimmige Motetten von Ildebrando Pizzetti ließen den Sopran in schwindelerregende Höhen aufsteigen. Das Ensemble endete strahlend - unterstützt von der Orgel - mit einer Motette von Heinrich Kaminski.

… auf der soeben erschienenen CD reicht der Bogen von Guillaume Dufay bis zu Josquin Desprez. Neben dem ungemein intonationsrein geführten «Sarà dolce tacere» eines Luigi Nono steht da der luzide Elektrosound «Schwingen» Wolfgang Fuldas. Diese Mischung ist sachlich wie qualitativ sehr gelungen …

… über eine halbe Stunde lang summen die 16 Stimmen des Ensembles nur minimal verschiedene Akkorde. Dazwischen streuen zwei Vibraphone stets ähnliche, skizzenhafte Tonfolgen. Diesen Klangraum, in dem nur der Einzelton regiert und keine Strukturen existieren, hat Morton Feldman ein Jahr vor seinem Tod mit «For Stefan Wolpe» geschaffen … was das Dufay Ensemble Nürnberg anpackt, wird ein Genuss für die Ohren. Sein Leiter Wolfgang Fulda verfügt über exzellente Sänger, sie kennen ihren Part vorzüglich, erlauben sich keine Unsauberkeit, haben Sinn für Nuancen. So war dafür gesorgt, dass Feldmans gedämpfte, wie in Watte gepackte Töne sich nicht im Chorraum der Jakobskirche verflüchtigen, sondern Substanz behielten und eine vage, traurige Besinnlichkeit ausdrückten. Ungemein große Präzision zeigte das Ensemble in Luigi Nonos «Sarà dolce tacere»: nichts ist homogen - die Sprache in Fetzen gerissen. Acht Stimmen verfremden ein Pavese-Gedicht. Versetzt fügen sie Silben und sich überlappende Laute zusammen. Indem er Feldmans und Nonos Kompositionen mit einem jahrhundertealten "Repertoirestück" umrahmte, setzte Fulda wundervolle Kontraste. In der vierstimmigen «Missa Pange Lingua» von Josquin Desprez wirkten die kontrapunktischen Harmonien so betont frisch …

… Türen zu anderen Musikwelten eröffnete das Dufay Ensemble Nürnberg unter der Leitung von Wolfgang Fulda am Sonntagabend im Höchstadter Kommunbrauhaus … Schönheit und Ideenreichtum früher Musik zeigten sich in ausgewählten Motetten von Josquin Desprez, Samuel Scheidt, Johann Eccard und Michael Prätorius. Im Gegensatz dazu bildet der Einzelton in all seinen Nuancierungen die grundlegende Idee der Musik Giacinto Scelsis. Johannes Menke, Dozent an der Musikhochschule Freiburg, gab vorab eine Einführung in die Denkwelt dieses Klangmystikers …

… In einen Konzertgenuss der besonderen Art kamen die Besucher im ausverkauften Kommunbrauhaus … Nach vorweihnachtlich spirituellem Beginn mit einem hervorragend vorgetragenen dreistimmigen «Hymnus in Adventu Domini» von Guillaume Dufay und anderen Motetten des 15. und 16. Jahrhunderts folgten nach der Pause Giacinto Scelsis «Tre Canti Sacri», vorbereitet mit einer Einführung von Johannes Menke … wahrlich faszinierend, wie die acht Stimmen erst leise und dann immer abstrakter und ekstatischer nur mit Wortbruchstücken perfekt jonglierten und wetteiferten. Die Münder formten, von der Stimmgabel unterstützt, nur Töne …

Die akustischen Reize der ehemalige Maschinentempel des Kraftwerks Franken I in Gebersdorf lotete zuletzt das Nürnberger Dufay-Ensemble mit Werken der Spätgotik und Renaissance wie der Moderne aus. Fasziniert vom Gedanken der "Raummusik", fanden die Sänger und Instrumentalisten um den Leiter Wolfgang Fulda hier ein geradezu ideales Podium: Denn wie einst die Kirchen als versteinerte Kompositionen begriffen wurden, kommen die Avantgarde-Klänge von heute in den profanen Industriekulissen besonders überzeugend zur Geltung …

Die Atmosphäre war seltsam reizvoll und befremdlich. Das lag am gewöhnungsbedürftigen Konzertsaal, den das Dufay Ensemble Nürnberg für seine gestrige Matinee aufgetan hatte: die alte Turbinenhalle im Großkraftwerk Franken. Damit gab Leiter Wolfgang Fulda unmissverständlich zu verstehen, wie sehr er und seine Musiker Kontraste lieben und leben. In einer Industrieruine, inmitten von staubbedeckten und korrodierten Maschinen, war die angekündigte "ästhetische Herausforderung" zu erleben: eine komplexe Meditation über Raum, Zeit und Klang, und das in einem qualitativ erstklassigen stetigen Wechsel zwischen alter und neuester Musik. Fundament war das Spätmittelalter: Die Chansons von Josquin Desprez - ernste Weltklagen - und die Auszüge aus der zierlichen «Missa Ecce Ancilla Domini» von Guillaume Dufay klangen rein und voll - wie in einer Kathedrale. Spannung entstand durch Sprünge in die Moderne. Wie schnell Technik zur Kunst wird, zeigte die Flötistin Natascha Siao mit Alan Fabians «Wittgenstein», für den jungen, dem Dufay Ensemble angehörenden Komponisten ein "Produkt musikalischer Gentechnik". Der Synthesizer gibt die Flötentöne zeitversetzt wieder und formt so künstlich einen Kanon, rhythmischen Maschinengeräuschen ähnlich. In Luigi Nonos filigranem «Sarà dolce tacere» verfremdeten acht A-Cappella-Stimmen Dichterworte zu Tonsplittern, und «Melodia» von Dufay-Mitglied Johannes Menke ließ Instrumente dicht aneinander vorbeierzählen. Nicht nur die Turbinen-Wracks, auch die «Zwölf Anmerkungen zu einem Konzert in einem fast aufgegebenen Raum» von Siegfried Schödel waren eine nachdenkliche Basis für diese Reflexion über die Zeit.

… bei den «Klangwegen» Aub hinterließ das Dufay Ensemble Nürnberg mit Motetten und Hymnen der alten Vokalpolyphonie nachhaltigen Eindruck … daneben standen Wolfgang Fuldas und Johannes Menkes «Harmonikaler Raum II» für Oboe und Elektronik und Alan Fabians «Conlon-Nancarrow-Studie» … unumstrittener Höhepunkt - mit spontanem Applaus bedacht - war Werner Heiders «Edition». Ein faszinierendes, weil organisiertes Stimmengewirr entstand. Die alte Musik schien damit zu einem modernen Höhepunkt geführt.